Wie alles begann

Im Dezember 2017 beschlossen wir, Tom und Claudia, eine E-Mail aus Lima an Freunde und Familie in Österreich zu schicken.

Wir hatten das Glück, uns mit einer peruanischen Familie anfreunden zu können, die uns einerseits mit einer sehr anderen, gezwungenermaßen viel bescheideneren Lebensrealität bekannt gemacht haben, die uns andererseits aber auch Menschen vorgestellt haben, denen sie selbst helfen, wo sie können. Das allein macht mich oft schon nachdenklich, denn es stimmt leider: Wer selbst wenig hat, teilt das wenige meist mehr.

Über diese Familie haben wir Silvia und ihren Sohn Jean Pool kennengelernt. Die Geschichte der beiden ist an Tragik und Schicksalshärte kaum zu überbieten, zumindest habe ich selbst auf all meinen Reisen kaum jemanden getroffen, der so viel durchgemacht hat. Silvia ist Mitte 30 und stammt – wie der Großteil der Menschen in Lima ‐ aus einem kleinen Dorf aus den schier unendlichen Weiten Perus. Sie hat mehrere Schwestern und hatte es seit Beginn ihres Lebens nicht leicht, denn sie hat als einzige in der Familie eine schwere Erbkrankheit abbekommen: Hier nennt man sie niños de cristal, bei uns kennen wir sie als Glasknochenkrankheit, der medizinische Begriff lautet Osteogenesis imperfecta. Silvia ist kleinwüchsig, hat verformte Beine, einen verformten Oberkörper, der teilweise den Organen wenig Platz lässt, kann sich überdurchschnittlich schnell Knochen brechen und hat eine schwache Lunge und ein schwaches Herz. Sie nähert sich bereits jetzt dem höchsten Alter, welches Menschen mit ihrer Krankheit üblicherweise erreichen. Als junges Mädchen wurde sie von ihrer Familie bereits schlecht behandelt, denn leider glauben in Peru viele Menschen immer noch, dass Behinderungen eine irgendwie rechtmäßige Strafe Gottes sind. Ihre Schwestern ließen sie viel zu schwere Hausarbeiten verrichten und gaben ihr kaum zu essen. Es war immer klar, dass eine Schwangerschaft für Silvia ein großes Überlebensrisiko darstellen würde und dies wäre eigentlich niemals in Frage gekommen. Doch die Grausamkeiten und Wunder reihten sich aneinander: Silvia wurde von ihrem Schwager vergewaltigt und sie wurde schwanger. Sie überlebte den Übergriff, die Schwangerschaft und die Geburt entgegen ihrer eigenen Erwartungen und heute ist Jean Pool bereits neun Jahre alt.

Silvia ist mit Jean Pool bald nach seiner Geburt nach Lima gezogen, zuerst zu ihren anderen Schwestern, die sie in der Stadt aber nicht besser behandelten als zuhause. Jean Pools Vater zog sogar ebenfalls nach Lima, die Situation ist denkbar schwierig. Silvia hatte ihren Vergewaltiger angezeigt, entschied sich dann aber auf den Rat ihrer Anwältin hin, ihn nicht ins Gefängnis zu bringen, da er als Häftling keinen Unterhalt für Jean Pool hätte zahlen können. Von den komplizierten familiären Verknüpfungen wollen wir hier gar nicht sprechen. Sie ist nun auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen, er zahlt aktuell 200 peruanische Soles (=/S.) pro Monat (ca. 55 Euro, ein Mittagessen kostet hier ca. /S. 10). Jean Pool weiß nicht, weshalb Silvia möglichst wenig mit seinem Vater zu tun haben will und möchte mit ihm ebenfalls Zeit verbringen. Silvia bemüht sich daher entgegen ihrer eigenen Ängste darum, dass der Vater Jean Pool von Zeit zu Zeit besucht.

Jean Pool hat ebenfalls die Glasknochenkrankheit und muss daher enorm aufpassen, sich nicht zu verletzen. Seine Mutter und er leben zu zweit in einem winzigen Zimmer in einem Vorort von Lima. Eine steile Treppe führt in diese Wohnung im 1. Stock, welche Jean Pool auf allen Vieren hinaufklettert, um nicht zu stürzen. Sie teilen sich Badezimmer und Küche mit anderen Familien, die auf diesem Stockwerk leben, auch Katzen und Hunde streunen durch das Haus, überall ist es dreckig.

Kürzlich musste Jean Paul an beiden Beinen operiert werden, die medizinischen Kosten sind für die beiden kaum tragbar. Unterstützung bekommen sie nur von einer Kirchengemeinde, der die beiden angehören, sowie von Freunden, die helfen wo sie können. Der peruanische Staat stellt keinerlei Hilfen für Menschen in ihrer Situation zur Verfügung. Momentan liegt Jean Paul mit einem Ganzkörpergips für einen Monat im Bett, die bereits überstandene 12-stündige Operation verspricht aber, dass er danach relativ normal wird laufen können. Seit er aus dem Krankenhaus zurück ist, möchte er Arzt werden und selbst später Kindern wie ihm helfen.

Claudia besucht Silvia und Jean Pool im Herbst 2017. Nach einer ersten OP ist er bis zur Hüfte eingegipst, wir schenken ihm einen kleinen Laptop.

Immer wieder haben die beiden Hilfe in letzter Minute bekommen, als sie schon gar nicht mehr damit rechneten. Als wir die beiden kennenlernten, begann Jean Paul mit mir Englisch zu sprechen. Er hatte über Online‐Spiele in einem Internetcafé ein paar Worte Englisch gelernt und ich war beeindruckt, wie gut er die englischen Begriffe aussprach
und wie schnell er lernte, wenn ich ihm mehr Wörter beibrachte. Er ist ein echtes Sprachentalent und ganz allgemein ein gescheiter Kopf, das merkt man schnell, wenn man mit ihm spricht. Weil wir sein Talent also fördern wollten, haben wir für Jean Paul einen kleinen Computer organisiert, den er vor ein paar Wochen geschenkt bekommen
hat.

Doch was Silvia und er am meisten brauchen ist eine kleine saubere Wohnung im Erdgeschoss, die ihren Bedürfnissen angepasst ist. Unsere Freunde sind momentan auf der Suche nach einer solchen Wohnung, auch wenn derzeit noch nicht klar ist, ob die Miete leistbar sein wird. Wir wollen nun mit eurer Hilfe ein Weihnachtswunder möglich machen und die passende Wohnung mitfinanzieren. Manche von euch haben vielleicht sowieso vor, zu Weihnachten auch Geldspenden zu schenken, für andere könnte das eine Premiere sein – In jedem Fall handelt es sich hier um eine Gelegenheit, ohne bürokratische Zwischenstellen euren vollen Spendenbetrag an die rechtmäßigen Empfänger, die wir persönlich kennen, zu senden.

Die Miete einer passenden Wohnung wird auf /S. 500 pro Monat geschätzt. Die aktuelle Miete von /S. 170 wird von der Kirche weiterhin bezahlt, wenn die beiden umziehen. /S. 330 mehr, das sind umgerechnet ca. € 90. Unser Ziel für diese Weihnachtssammlung sind € 1.100, damit könnten die beiden ein Jahr lang die Miete für eine gute Wohnung finanzieren.

Jean Paul soll in einem sicheren, gesunden, sauberen Umfeld aufwachsen, um viel lernen zu können und später wirklich Arzt zu werden. Silvia ist ein wahnsinnig starker, bescheidener Mensch. Sie hat jede Hilfe verdient und geht mit der Unterstützung garantiert verantwortungsvoll um. Das wird zudem durch die Familie, über die wir sie kennengelernt haben, abgesichert. Da wir sehr guten Kontakt zu allen pflegen, können wir im kommenden Jahr auf dem Laufenden bleiben und sehen wohin sich ihre Situation entwickelt. Dadurch können wir
auch euch weiter informieren und womöglich nächstes Jahr eine weitere Aktion starten.